Spotlight Stories: Meine Lieblingsfilme aus dem Google-Labor

Mitte März war eine äußert traurige Nachricht in der Presse zu lesen: Google schließt sein hauseigenes VR-Studio Spotlight Stories, das entzückende Kurzfilme in Virtual Reality und 360-Grad produzierte. Zu diesem Anlass habe ich mir alle Spotlight Stories noch einmal angesehen und meine Favoriten für Euch aufgelistet. Exklusiv für die erste Ausgabe des neuen VR Geschichten-Newsletters.

Das Spotlight Stories Studio: Ein Labor für Experimente

Noch im Herbst hatte ich einen Vortrag des langjährigen Spotlight Stories-Mitarbeiters und Komponisten Scot Stafford gehört. Er sprach bei den VR Days in Amsterdam über die Erfolge – und die Lehren – die die Spotlight Stories dem Team beschert hatte, insbesondere in Punkto Ton und Tondramaturgie. Nun ist nach sechs Jahren also das unerwartete Ende da, wahrscheinlich, weil das Studio keinen oder kaum Gewinn einbrachte. (Hier der Artikel von Variety.)

Seit Langem will ich einen „Best of“-Artikel der Google Spotlight Stories machen. Jetzt wird es leider ein Abschied. Ich habe ihnen viel zu verdanken: Ganz zu Beginn dieses Blogs, als ich mich gerade in das Thema einzulesen begann, waren mir die Spotlight Stories eine große Hilfe.

Denn mit jeder neuen Geschichte gingen sie immer einen Schritt weiter. Dabei experimentiert jeder Film mit einer ganz speziellen Idee und versucht, sie auf Dramaturgie, Zuschauer-Führung und Emotionalität hin abzuklopfen. Dass das Studio mit seinem Selbstverständnis als Storytelling-Lab so nicht massentauglich sein konnte, ist keine Überraschung.

Doch die ganz große Masse schienen die Filme auch nie erreichen zu wollen. Manche Versuche gelangen großartig und setzten neue Maßstäbe, andere konnten nicht beeindrucken. So wurden die Spotlight Stories für mich zu einer Einführungsklasse in Storytelling für 360-Grad- und VR-Filme.

Die Spotlight Stories: Meine Top 7

Für Euch habe ich mir alle 16 Geschichten noch einmal angesehen – es kamen bis zuletzt ja noch welche hinzu – und Euch meine sieben Lieblingsfilme aufgelistet. Eigentlich sollten es ja nur die Top 5 sein, aber ich konnte mich einfach nicht entscheiden… Kommentiert gerne, wenn Ihr noch andere Favoriten habt.

Back To The Moon

Google Spotlight Stories: Back To The Moon. © Google Inc.
Back To The Moon © Google Inc.

Dieser entzückende Animationsfilm ist eine Hommage an den großen Filmpionier Georges Méliès. Nicht nur, dass der Film einfach Spaß macht – er ist auch interaktiv. So pausiert die Geschichte (die Musik spielt währenddessen in Dauerschleife), wenn man nicht an die richtige Stelle schaut und auch die Reihenfolge von einigen hübschen Effekten kann man so selbst bestimmen. Besonders gut gefällt mir die Prinzessin: Nachdem sie sich – wie jede gut erzogene Prinzessin das eben so tut – brav hat retten lassen, nimmt sie die Sache mit der Romanze energisch in die eigene Hand.

Age of Sail

Ich habe diese berührende Geschichte schon bei seiner Premiere auf in Venedig gesehen: Ein alter Segler trifft auf ein junges Mädchen und fasst durch sie neuen Lebensmut. Ich persönlich bin zwar nicht so ein großer Fan der Animationen, die in einem recht besonderen Stil gehalten sind. Allerdings ist die Geschichte sehr stark. Zudem segelt man inmitten des Ozeans auf einem kleinen Holzboot herum, was eine intensive und durchweg gelungene Erfahrung ist, die so nur in VR möglich ist! (Und noch dazu, ohne dass einem schlecht wird. In diesem Video erklärt Regisseur John Kahrs, wie sie es gemacht haben.)

Buggy Night

Google Spotlight Stories: Buggy Night. © Google Inc.
Buggy Night © Google Inc.

Buggy Night ist der lustigste Film der Spotlight Stories, wie ich finde! Nicht nur, dass es zum Schreien komisch ist, wie kleine Käferchen vor dem Licht und einem bösen Frosch fliehen – das Publikum ist es auch selbst, das die Taschenlampe (durch Kopfbewegungen) auf sie richten darf. Jetzt weiß ich auch, woher das Studio seinen Namen hat. Hier zeigt sich das in vielen Spotlight Stories – so auch schon deutlich ausgefeilter beim später produzierten Back To The Moon – angewandte Prinzip: Die Geschichte ist in mehrere Episoden eingeteilt, die erst dann abgespielt werden, wenn ich in die richtige Richtung schaue. Bei Buggy Night muss ich also mit der Taschenlampe an die richtige Stelle leuchten. Kleiner Tipp: Wer nach oben guckt, gibt den Krabbeltierchen eine kurze Verschnaufpause und bekommt eine kleine Überraschung zu sehen.

Pearl

Google Spotlight Stories: Pearl © Google Inc.
Pearl © Google Inc.

Ich denke, zu Pearl muss ich nicht viel sagen: Es war der erste VR-Film, der je für einen Oscar nominiert war. (Sogar die Zeit berichtete, wenn auch nicht nur  positiv.) Es geht um einen Vater und seine Tochter, die in ihrem Auto durch das ganze Land fahren und dabei musizieren. Der Film ist hübsch und legt einen starken Fokus auf die wirklich gelungene Musik. Doch ja, es ist ein wenig enttäuschend, dass man als Zuschauer*in im Auto sitzen bleiben muss. Trotzdem natürlich unter den Top 7.

Help

Dieser Film ist der einzige der Spotlight Story Filme, der nicht animiert ist. Es geht um ein außerirdisches Wesen, das auf die Erde kommt und sehr zornig wird. Es folgt eine action-reiche Verfolgungsjagd zwischen Mensch und Monster. Der Film des Fast & Furious-Regisseurs Justin Lin hat aus heutiger Sicht einige Schwächen: Beispielsweise ist er eigentlich in zwei Mal 180-Grad erzählt, es passiert also durchgehend etwas vor mir und etwas hinter mir, wodurch ich mich immer hin und her drehen muss. Allerdings war er bei seiner Veröffentlichung 2016 einer der ersten guten Spielfilme in 360-Grad. Einige Storytelling-Prinzipien habe ich durch diesen Film erst so richtig begriffen: Beispielsweise beginnt er mit einem Flug hin zum Ort des Geschehens und richtet so den Blick des Publikums automatisch in die richtige Richtung aus, nämlich in Flugrichtung. Außerdem ist er in nur einer einzigen Einstellung gedreht, was wunderbar funktioniert.

Piggy

Google Spotlight Stories: Piggy. © Google Inc.
© Google Inc.

Piggy ist wirklich süß. Es geht um ein Schwein, das versucht, den Versuchungen einer unglaublich lecker aussehenden Torte zu widerstehen. Nicht nur, dass ich die Probleme dieses dicken Schweins sehr gut nachvollziehen kann, es ist auch eine hübsche Demonstration, wie das Publikum in die Geschichte einbezogen werden kann. Als Zuschauerin bekomme ich eine eigene Rolle: Piggy schämt sich nämlich schrecklich, dass er viel lieber naschen will als joggen. Deshalb versucht er, die Torte immer dann zu stibitzen, wenn ich gerade nicht hinsehe. Pfiffig!

Duet

Google Spotlight Stories: Duet. © Google Inc.
Duet © Google Inc.

Duet ist ein 360-Film, aber man kann ihn nicht auf einer VR-Brille ansehen. Stattdessen dreht man sein Smartphone mit, was zugegebenermaßen ein wenig schade ist, wenn auch angesichts des Alters des Filmes verständlich. Und trotzdem ist er eine schöne Idee: Denn es geht wie so oft um die Liebe zwischen einem Mädchen und einem Jungen. Mit dem Unterschied, dass man sich entscheiden kann, ob man dem Jungen oder dem Mädchen folgt und die jeweilige Geschichte sieht. Immer wieder kreuzen sich die Wege der beiden – und an diesen Stellen kann ich mich auch als Zuschauerin für einen neuen Weg entscheiden.

Wo kann man die Spotlight Stories sehen?

Insgesamt sind 16 Spotlight Stories entstanden (zählt man Gemeinschaftsprojekte wie mit der Band Gorillaz oder dem Simpsons-Filmteam dazu). Davon sind neun als Roomscale-VR-Erfahrungen erhältlich: auf Steam für Oculus Rift und HTC Vive, sowie auf Viveport (nur für die HTC Vive). Daneben findet man alle Geschichten selbstverständlich auf Dreamdream-Brillen und einige in einem eigenen Youtube-Kanal als 360-Grad-Filme.

Auf Youtube sind übrigens zusätzlich einige schöne Making-of-Videos zu finden, eine kleine Schatztruhe für Geschichtenerzähler*innen. Die Googles Spotlight Stories App für Android und iOS versammelt sämtliche der 16 Filmchen. In der App kann man sie sich mit einem Cardboard aus Pappe oder einem etwas luxuriöseren Modell aus Plastik ansehen – oder, wie im Falle von Windy Day und Duet – ganz ohne VR-Headset nur auf dem Smartphone.

Veröffentlicht von Pola Weiß

#Diplom-Psychologin #Filmtante #Kino-Binge-Gängerin #Fernseh- und Online-Redakteurin ## Ich liebe gut erzählte Geschichten, egal wo. Während meiner spannenden Arbeit als Medienarbeitsbiene (u.a. für SWR und arte) bin ich auf die unglaubliche Welt von Virtual Reality gestoßen. 2017 habe ich schließlich VR Geschichten gegründet und entdecke seitdem von Berlin aus die unendlichen VR Weiten.

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